Haushaltsrede unserer Fraktionsvorsitzenden Birgit Liste-Partsch zum Haushalt 2021

Pulheim

09.02.2021 von Fraktion BVP

Liebe Pulheimerinnen und Pulheimer,  

sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Rat,

sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,


„eine Stadt besteht nicht nur aus Stein und Mörtel, sondern aus dem Miteinander der Menschen. Die Menschen, nicht die Häuser sind das Fundament einer Stadt.“ (unbekannt)

Und gerade dieses Miteinander scheint in der politischen Arbeit aktuell verloren zu gehen. Wer die vergangene Sitzung zu den Haushaltsberatungen verfolgt hat, konnte nicht nur sehen, dass heftig debattiert wurde, was grundsätzlich als positiv anzusehen ist. Vielmehr konnte er auch die beinahe „vergiftete Stimmung“ spüren.

Ich bin mir sicher, dass alle demokratischen Fraktionen mit dem festen Willen angetreten sind, die Interessen der Bürger*innen dieser Stadt zu vertreten und im politischen Dialog und der Diskussion – vor allem aber im gegenseitigen Respekt, die besten Lösungen für Pulheim zu finden. Die Umgangsformen, die sich mittlerweile in den politischen Gremien etabliert haben, sind hiervon inzwischen leider meilenweit entfernt. Herr Bürgermeister, an dieser Stelle erwarten wir ganz klar auch eine deutliche Haltung von Ihnen, die dafür sorgt, dass das Miteinander und der Respekt wieder in die Ratspolitik einziehen und nicht Anträge der „Anderen“ durch Fäkalsprache und unsachgemäße Kommentare, unflätige Gesten oder gar Beschimpfungen abgewertet werden. Sorgen Sie dafür, dass wir eine sachliche und respektvolle Basis finden, auf der wir gemeinsam eine faire politische Diskussion führen können.

Denn Politik hat viel mit Vertrauen, mit ernst genommen werden, vor allen Dingen aber mit Respekt zu tun. Nur so kann die Demokratiebildung gestärkt und der Vertrauensverlust in die Politik aufgehalten, ja vielleicht sogar umgekehrt werden.

Die Eckdaten des Haushalts sind hinlänglich bekannt. Daher möchte ich an dieser Stelle hierauf auch nicht weiter eingehen.

Dadurch, dass 5 Ratsmitglieder direkt nach der Wahl der SPD den Rücken gekehrt und eine eigene Fraktion – nämlich die WfP - gegründet haben, sind die Mehrheitsverhältnisse in eine Schieflage geraten. So findet sich im Ratssaal aktuell nun leider wieder ein sehr konservatives Lager, was weiter nach Gutsherrenmanier – nur in anderer Konstellation -  vehement die Anträge der „Anderen“ ablehnt. Liebe WfP, wir dachten wirklich, dass ihr für ein Miteinander, für neue Wege und eine projektbezogene Zusammenarbeit steht. Leider habt ihr uns -  zumindest bei den Haushaltsberatungen – eines Besseren belehrt. Durch eure augenscheinlich unreflektierte Zustimmung zu den Anträgen von CDU und FDP, nur um vielleicht auch einen eigenen Antrag durchzubekommen, habt Ihr den Wählerwillen unverkennbar und mehr als einmal konterkariert. Nicht einmal einem Antrag für eine dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern konntet ihr zustimmen. Das zeigt deutlich, wie weit ihr euch aus der politischen Mitte entfernt habt.

Wir sind der Meinung, dass wir mehr denn je den gesellschaftlichen Zusammenhalt brauchen, auch um miteinander die Krise zu bewältigen. Hier sollten wir als Ratsvertreter*innen Vorbild sein. Der BVP will projektorientiert mit allen demokratischen Fraktionen die besten Ergebnisse für Pulheim erzielen. Wir sind dazu bereit und bieten unsere Zusammenarbeit an.

Der Klimawandel schreitet fort und die Menschen haben recht, wenn sie auch in der Corona- Krise deutlich auf die Dringlichkeit des Problems hinweisen. Es stimmt bedenklich, wenn Anträge, die eben diese CO2-Reduktion zum Ziel haben, abgelehnt oder in weiteren Warteschleifen in Ausschüsse geschoben werden. Dies zeigt den Stellenwert, den unsere Umwelt in weiten Teilen dieses Ratsgremiums und der Verwaltung hat. Exemplarisch sei hier die Fällung der Platanen für das Abteiquartier im vergangenen Jahr genannt, welches ohne gestellten Bauantrag im vorauseilenden Gehorsam erfolgte. Die Platanen könnten heute noch stehen, denn außer der Baumfällung ist dort noch nichts passiert.

Wer meint, dies sei ein Einzelfall, irrt leider: Die jüngste Baumfällung an der Ecke Jägerstraße/Escher Straße wurde mit der Begründung durchgeführt, dass die Ecke „verschönert“ werden solle und deshalb das Buschwerk und der Baum weichen müssten. Dies zeigt einmal mehr deutlich, dass kein wirklicher Wille zu einem Umdenken gegeben zu sein scheint.

Fast täglich erreichen uns Anrufe besorgter Bürgerinnen und Bürger, weil in ihrem unmittelbaren Umfeld Bäume gefällt werden. Früher war es üblich, dass die Verwaltung die Ratsfraktionen rechtzeitig über die Fällarbeiten informiert, aktuell erfahren wir es mit viel Glück aus einem der Newsletter der Stadt. Mit ein paar Wildblumenwiesen und Dachbegrünungen lassen sich die Klimaziele nicht erreichen! Einstimmig haben wir im vergangenen Jahr den Klima-Appell beschlossen – Miteinander sollten wir ihm den Stellenwert geben, den er verdient!  Schlussendlich muss es um die Erreichung der Klimaziele von Paris gehen, dazu bekennen wir uns als BVP ausdrücklich. 

Auch Kultur verdient Respekt! Gerade die Corona-Krise bedeutet für die Kulturlandschaft und viele Vereine einen herben finanziellen Rückschlag, dessen Folgen kaum absehbar sind. Wir vom BVP können daher auch nicht verstehen, wieso CDU, WFP, FDP und AFD auch den Antrag für einen Kulturnotfallfonds über € 30.000 abgelehnt haben.

Pulheims Schulen sind und bleiben eines der wichtigsten Themen auch in den kommenden Jahren. Immerhin – Planungen für diverse Grundschulerweiterungen sind vorgesehen und es soll eine neue Grundschule gebaut werden. Unseres Erachtens aber leider nicht dort, wo die künftigen Grundschulkinder leben. Die zahlreichen Interimslösungen sowohl an Grundschulen als auch an weiterführenden Schulen, zeigen unmissverständlich, dass viele Dinge verschlafen, ja schlicht und ergreifend erst angegangen wurden, als es nicht mehr 5 vor, sondern eigentlich bereits 5 nach 12 war. Die durch diese Verzögerung entstandenen Mehrkosten hätte man bei vorausschauenden Planungen einsparen und in unsere Schulen investieren können. Gerade bei den weiterführenden Schulen haben wir über Jahre den Eindruck bekommen, dass kein echter Wille vorhanden ist, die erforderlichen Mittel in die Hand zu nehmen, um diese fit für die Zukunft zu machen. Seit den Machbarkeitsstudien aus dem Jahr 2015 hat sich bisher herzlich wenig getan. Wir sind wir froh, dass sich nun endlich unter Mitwirkung von Verwaltung und Schulleiter*innen ein interfraktioneller Arbeitskreis gefunden hat, der miteinander nach konstruktiven Wegen sucht, unseren Schulen endlich die angemessenen Räumlichkeiten und den entsprechenden Rahmen bereitzustellen, um sich auf den Weg zu modernen Bildungseinrichtungen zu begeben. Endlich gibt es eine projektbezogene Zusammenarbeit, wie wir sie uns für sehr viele andere Themen auch wünschen.

Umso erstaunter waren wir allerdings, als CDU, FDP und WFP bei den Haushaltsberatungen einen Antrag aus dem Hut zauberten, der weder mit den übrigen Fraktionen noch den Schulleiter*innen abgestimmt war. Plötzlich soll ein Schulstandort für ein neues Schulzentrum gesucht werden.

Das klang im vergangenen Jahr noch ganz anders. Gerade die CDU Fraktion hatte sich für eine Sanierung des Pulheimer Schulzentrums ausgesprochen, auch, weil nach Aussage des Kämmerers kein geeignetes Grundstück zur Verfügung steht. Daran hat sich bisher nichts geändert. Wir haben uns bei diesem Antrag enthalten. Keine Frage, ein Schulneubau wäre die richtige und zukunftsweisende Entscheidung. Aber, uns ist die Aussage des Kämmerers noch im Ohr, dass ein Schulneubau einen andauernden Stillstand am Pulheimer Schulzentrum bedeuten würde. Wir hätten uns daher gewünscht, dass ein solcher Antrag miteinander besprochen und abgestimmt wird, und dass auch den Antragstellern im Vorfeld klar ist, welche Konsequenzen sich für das heutige Schulzentrum ergeben. Eben eine Diskussion mit allen Betroffenen, ehrlich, auf Augenhöhe und mit dem nötigen Respekt.

Unerlässlicher Bestandteil einer modernen Schulausbildung ist die innovative und digitale Ausstattung unserer Schulen. Nicht erst die Corona-Krise hat schmerzlich gezeigt, wie sehr Pulheim in diesem Punkt hinterherhinkt. Gerade im Bereich der Digitalisierung fordern wir eindringlich mehr Unterstützung für unsere Schulen sowie für die Ausrüstung der Schülerinnen und Schüler, um die Beteiligung aller zu sichern. Dies ist heute erforderlicher als je zuvor. Wir sind froh, dass die Stadt Pulheim eine Stabstelle Digitalisierung einrichtet und zudem zusätzliche Stellen im Bereich der IT schaffen möchte. Wir sind allerdings nach wie vor der Auffassung, dass es in diesem Fall sinnvoller gewesen wäre, die Stabstelle IT mit einem externen Berater zu besetzten, um sich die dringend erforderliche Expertise für eine zukunftsorientierte IT-Strategie ins Haus zu holen. Dies gilt ebenso für zusätzliche Stellen im IT-Bereich. Aber leider war man hier nicht bereit, den Weg des IT-Outsourcings mitzugehen.

Aus welchen Gründen sich CDU, FDP und sogar der Bürgermeister nicht zu schade waren, mit Schützenhilfe der AfD den IT-Beirat zu verhindern, ist uns schleierhaft. Ein auf vielen Ebenen hoher Preis, der da gezahlt wurde! 

Teile von Rat und Verwaltung scheinen grundsätzlich ein angespanntes Verhältnis zu „neuen“ Medien oder auch zum Thema Bürgerfreundlichkeit zu haben - haben sie vor diesen sogar zu viel Respekt? Liveübertragungen aus Rats- und Ausschusssitzungen in Pulheim? Nein danke! Warum wollen sie nicht, dass das, was in vielen anderen Kommunen bereits möglich ist, auch in Pulheim geht? Vielleicht, weil man die eine oder andere Entgleisung lieber unter den Teppich kehren möchte und man gar kein Interesse daran hat, dass die Bürger*innen erfahren, wie die gewählten Vertreter wirklich zu den einzelnen Themen stehen? Wir wissen es nicht.

Unseren Antrag auf eine Bürger-App, ein Medium zu einer unkomplizierten und direkten Kommunikation mit der Verwaltung, konnten wir zumindest in den Fachausschuss retten, bevor auch diese in dem ablehnungsfreundlichen erzkonservativen Lager untergegangen wäre.

Wie eingangs bereits gesagt, besteht eine Stadt nicht nur aus Stein und Mörtel, sondern aus dem Miteinander der Menschen - dieses Miteinander wünschen wir uns im Rahmen einer breiten Bürgerbeteiligung immer noch in einem städtischen Gesamtentwicklungskonzept unter dem Arbeitstitel „Vom Walzwerk bis zum Schwefelberg“. Auch wenn die Verwaltung meint, dass es mit dem Einzelhandels- und Gewerbekonzept bereits getan sei. Genau das ist nach unserer Auffassung nicht der Fall. Wir müssen endlich lernen, größer zu denken!

Wir brauchen ein Konzept mit einem für Bürgerinnen und Bürgern attraktiven, zum Teil verkehrsberuhigten Raum, des Einzelhandels, der Kultur und der Gastronomie. Sowie liebevoll gestaltete Plätze, die zum Verweilen einladen und das Gesamtbild für ein lebenswertes Zentrum abrunden. Feierabendmärkte und Kleinkunst könnten dieses Bild auf wundervolle Art und Weise ergänzen. Lassen Sie uns miteinander und gemeinsam mit den Menschen dieser Stadt diesen wichtigen Weg beschreiten, denn „Die Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun!“ (Gandhi)

Auch wir vom BVP wissen, dass Bäume nicht ins Unendliche wachsen und nur so viel Geld ausgegeben werden kann, wie auch tatsächlich da ist. Doch gerade in der aktuellen Zeit wünschen sich die Menschen von unserer Politik mehr Kreativität und Phantasie, und ein Denken über den Teller- oder besser den Stadtrand hinaus.

Der „große Wurf“ ist dieser Haushalt nicht. Denn die wichtigen Fragen zur Klima- und Mobilitätspolitik, zur Schulpolitik und zur Digitalisierung haben nicht den Stellenwert bekommen, der in diesen Zeiten angebracht gewesen wäre. Würden wir zustimmen, wären wir für ein „Weiter so!“. Dafür sind wir nicht angetreten und auch der Wille der Bürger*innen ist ein anderer. Wir haben uns gewünscht, dass wir ALLE die aktuelle Corona Krise auch politisch als Chance sehen, als Chance für mehr Miteinander, als Chance für projektbezogene Zusammenarbeit und einen respektvollen und wertschätzenden Umgang miteinander, zum Wohle unserer Stadt. Dies wird und wurde von einigen leider nicht so gesehen. 

Die Fraktion des BVP lehnt nach abschließender Beratung den Haushaltsplan für 2021 ab.

Danken möchten wir an dieser Stelle ausdrücklich den Mitarbeiter*innen der Verwaltung für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Vor allen Dingen aber ein herzliches Dankeschön an all diejenigen, die in der Corona-Krise Außergewöhnliches leisten, wie die Erzieher*innen, die Lehrkräfte, die Rettungskräfte und die ehrenamtlich Tätigen, die alle dazu beitragen, dass wir gut durch diese Krise kommen.

Enden möchte ich meine Rede mit einem Zitat aus „Momo“ von Michael Ende: 

„Es gibt manchmal im Lauf der Welt besondere Augenblicke (…), wo es sich ergibt, dass alle Dinge und Wesen, bis zu den fernsten Sternen hinauf, in ganz einmaliger Weise zusammenwirken, sodass etwas geschehen kann, was weder vorher noch nachher je möglich wäre. Leider verstehen die Menschen sich im Allgemeinen nicht darauf, sie zu nützen, und so gehen die Sternstunden oft unbemerkt vorüber. Aber wenn es jemand gibt, der sie erkennt, dann geschehen große Dinge.“ 

Wir vom BVP wünschen uns, dass wir in diesem Sinne gemeinsam auf Augenhöhe und mit gegenseitigem Respekt für die anstehenden fünf Jahre zusammenarbeiten, damit auch in Pulheim große Dinge geschehen können!