Haushaltsrede unserer Fraktionsvorsitzenden Birgit Liste-Partsch zum Haushalt 2022/2023

Pulheim

08.12.2021 von Fraktion BVP

Stellungnahme der Fraktion Bürgerverein Pulheim zum Haushalt 2022/2023 der Stadt Pulheim

Haushaltsrede unserer Fraktionsvorsitzenden

Birgit Liste-Partsch zum Haushalt 2022/2023

 

Liebe Pulheimerinnen und Pulheimer,

sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Rat,

sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,

 

„Das Leben ist wie Fahrrad fahren. Man muss sich ständig vorwärts bewegen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.“ (Albert Einstein)

Bereits seit nunmehr fast zwei Jahren bestimmt die Corona-Pandemie unser Leben. Nahezu alle Bereiche sind davon betroffen. Und dennoch – oder gerade deshalb – müssen wir in Bewegung bleiben, um das Gleichgewicht zu halten. In Anlehnung an Ihre Haushaltsrede, Herr Bürgermeister Keppeler, in der es Ihnen um die notwendige Balance bei der Aufstellung des Haushalts ging, möchte ich die Wichtigkeit dieser Balance, verbunden mit den zahlreichen Herausforderungen, vor denen wir hier in Pulheim stehen, in den Fokus meiner diesjährigen Haushaltsrede stellen.

Sicher verwundert es niemanden, wenn wir genau diese Balance in einigen Punkten nicht erkennen und ganz klar andere Schwerpunkte gesetzt hätten. Wir glauben aber dennoch, dass es gerade in diesen Zeiten wichtiger denn je ist, dass wir als Fraktionen mit der Verwaltung an einem Strang ziehen – und zwar zum Wohle unserer Stadt möglichst in die gleiche Richtung. Habe ich in meiner letzten Haushaltsrede noch angemahnt, dass das politische Miteinander verloren zu gehen scheint, so zeigten die zurückliegenden Haushaltsberatungen und kollegialen Gespräche immerhin – wenn auch nicht bei allen Fraktionen – dass dies zunehmend gelingt.

Wir freuen uns darüber, dass viele unsere Anträge quasi aus der Opposition heraus dennoch auf breite Zustimmung trafen und andere wichtige Themenfelder im Fachausschuss behandelt werden sollen.

Hervorzuheben sind hier zum Beispiel die im Haushaltsentwurf der Verwaltung vorgeschlagenen Steuererhöhungen ab dem Jahr 2023. Für uns vom BVP war klar, dass wir diesen Weg nicht mitgehen werden und er zum jetzigen Zeitpunkt weder zielführend noch sozial vertretbar ist. Denn die Erhöhung der Grundsteuer, die über die Miete weitergereicht wird, hätte alle Bevölkerungsschichten getroffen. Ein großer Teil der Unternehmen steht, bedingt durch die Pandemie, bereits vor beträchtlichen finanziellen Herausforderungen. Zudem führen die massiv steigenden Energiekosten zu weiteren erheblichen Belastungen für die Gewerbetreibenden und Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt. Wir sind froh darüber, dass unserem Haushaltsantrag auf Verzicht der Steuererhöhungen sowie einem gleichlautenden Antrag von CDU, FDP und WFP, der noch am Tag der Haushaltsberatungen eingereicht wurde, gefolgt wurde. Nur Grüne und SPD stimmten dagegen. Die CDU geführte Verwaltung musste in diesem Punkt einlenken und konnte sich nicht durchsetzen.

Vorwärts bewegen müssen wir uns dringend in Sachen Umwelt- und Klimaschutz. Denn die Klimaerwärmung bringt unsere Umwelt aus dem Gleichgewicht, und das hat Folgen für die Natur, die Tierwelt und uns Menschen. 

Mit unserem Antrag „Ein Wald für Pulheim“, für den 20.000 € in den Haushalt gestellt werden sollen, wird die Verwaltung beauftragt, Möglichkeiten der Erstaufforstung und ggf. weiteren Aufforstung von vorhandenen Waldflächen und Baumgruppen im Stadtgebiet zu prüfen, um so möglichst zeitnah mit der Pflanzung neuer Bäume und Sträucher beginnen zu können.

Auch die auf unsere Initiative ins Leben gerufene Kampagne „Pulheim blüht auf“ wird mit zusätzlichen Mitteln aufgestockt, und nicht zuletzt soll es mehr Geld für Ersatzpflanzungen geben. Leider gibt es allerdings nach wie vor zu wenig Personal in unserer Verwaltung, um die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen zügig voranzutreiben.

Das Argument „Klimaschutz ist wichtig, uns fehlen jedoch die erforderlichen Kapazitäten.“ wird uns wohl auch weiter begleiten. Hier hätten wir uns im Sinne der Generationengerechtigkeit und für die Balance der Ökosysteme eine deutlichere Fortbewegung gewünscht.

Wir dürfen nicht vergessen, dass jede politische Entscheidung in unserer Stadt Effekte auf unsere Umwelt hat. Genau diese Abwägungsprozesse kommen aber häufig viel zu kurz. Exemplarisch möchte ich hier die Diskussionen um den künftigen Standort des Feuerwehrgerätehauses in Brauweiler aufführen. Sollte hier wirklich der von vielen Bürgerinnen und Bürgern geliebte Park nebst Kinderspielplatz dem neuen Feuerwehrgerätehaus weichen müssen? Aus Umweltgesichtspunkten verbieten sich diese Überlegungen, denn der alte Baumbestand und die Grünfläche sind ökologisch wertvoll und wichtig für Natur und Umwelt. Wir wünschen uns, dass wir hier gemeinsam zu einer anderen, in unseren Augen sinnvolleren Lösung kommen, mit der auch die Feuerwehr in Brauweiler gut leben kann.

Gut leben sollten auch endlich die Schülerinnen und Schüler, die Kita-Kinder und die Lehrenden in unserer Stadt.

Getreu dem Motto „Und ewig grüßt das Murmeltier.“ hat sich hier in den vergangenen Jahren leider viel zu wenig getan, wenn auch die erforderlichen Gelder nun eingestellt sind. Wir hoffen sehr, dass es nun vorangeht und der Sanierungsstau an unseren Schulen genauso bald angegangen wird wie die Klärung der Standorte für die weiterführenden Schulen.

Seit vielen Jahren wandelt sich die Schullandschaft. Kinder brauchen Schulen mit Möglichkeiten zum selbstorganisierten Lernen und einen Ort, an dem man mithilfe von moderner Pädagogik den Erfordernissen von Ganztag, Inklusion und steigenden Schülerzahlen gerecht werden kann. Viele Jahre wurde kaum in Grundschulen investiert, wir haben oft gefordert, dass dringend saniert und erweitert werden muss. Mit den geplanten Modul- und Umbauten sind wir endlich auf einem guten Weg und bewegen uns vorwärts. Und mit dem geplanten Neubau der Schule am Buschweg wird es auch Erweiterungsmöglichkeiten für das Pulheimer Schulzentrum geben. Die Fraktion des BVP hält allerdings eine Planungspriorisierung für lediglich eine Grundschule am Stadtrand von Pulheim für falsch. Auch Überlegungen, dass diese Schule sodann ebenfalls für Schüler*innen aus Stommeln und Sinnersdorf über „Elterntaxis“ erreichbar sei, halten wir weder aus pädagogischer noch aus umweltpolitischer Sicht für sinnvoll. Für die meisten Kinder würde dies sehr weite Schulwege bedeuten.

Eine Schule sollte unseres Erachtens dort entstehen, wo sie hingehört und viele Familien mit Kindern leben. Idealerweise sollte daher eine zusätzliche neue Grundschule, vorzugsweise innerhalb oder in der Nähe der Neubaugebiete BP 113, 114, 115, entstehen. Auch wenn wir für diesen Vorschlag keine Mehrheit gefunden haben, hoffen wir doch, dass zumindest noch mal eine Diskussion im Fachausschuss hierzu stattfindet.

Mittlerweile ist in Pulheim der Handlungsdruck bezüglich der weiterführenden Schulen so groß, dass offenbar keine Zeit bleibt, auch über zukunftsorientierte Schulneubauten nachzudenken. Immer wieder sind große Ambitionen – hier verweisen wir nochmals auf die Machbarkeitsstudien in 2015 – in banalen Übergangslösungen bzw. in Untätigkeit geendet. Architektur und Pädagogik blieben immer wieder auf der Strecke. Außerdem wird der Wiedereinführung von G9 ab dem Schuljahr 2024/25 ein zusätzlicher Jahrgang an den Gymnasien unterzubringen sein, was sich unmittelbar auf den Raumbedarf auswirkt. Die Chance, jetzt Schulen mit zukunftsfähigen Konzepten zu bauen, wollen wir uns nicht entgehen lassen und fordern deshalb ein Konzept für den Neubau einer der beiden Schulen am Schulstandort Brauweiler ein. Wir müssen in Pulheim endlich investieren, um unsere Stadt zu einem wesentlich attraktiveren Wohn- und Lebensstandort zu machen und nicht hinter den Nachbarkommunen zurückzubleiben.

Zurückbleiben werden unsere Kinder leider auf jeden Fall, wenn es um die Anschaffung mobiler Luftfiltergeräte geht – und das, obwohl die 4. Corona-Welle bereits jetzt heftiger als alle bisherigen ist und keiner weiß, wie sich die Omikron-Variante verhalten wird. Wurde von den Mehrheitsfraktionen in der vergangenen Ratssitzung noch zugesagt, dass bei Bedarf auch nachträglich mehr als die dreißig bewilligten Geräte bestellt werden könnten, so schien sich an das Versprechen bei den Haushaltsberatungen keiner mehr zu erinnern.

An dieser Stelle passt dann leider das Zitat von Maurice Barrés sehr gut: „Der Politiker ist ein Akrobat. Er hält das Gleichgewicht dadurch, dass er das Gegenteil von dem sagt, was er tut.“                                                                 

Liebe Kolleg*innen von CDU, FDP und WFP, vielleicht reflektiert Ihr Euer Abstimmungsverhalten noch einmal unter diesem Aspekt und lasst diesen Makel nicht auf Euch sitzen. Wir vom BVP halten Eure ablehnende Haltung auf jeden Fall für unverantwortbar. Wer zudem noch fast gleichzeitig 70.000 Euro für versenkbare Poller auf der Venloer Straße freigibt, die lediglich für vier bis fünf Großveranstaltungen genutzt werden sollen, um den Initiatoren Kosten zu ersparen, der hat in unseren Augen zumindest an dieser Stelle die Bodenhaftung deutlich verloren.

Für den BVP ist Schulsozialarbeit ein unverzichtbarer Baustein moderner Schulen. Nicht zuletzt gewinnt die Schulsozialarbeit angesichts beschleunigter gesellschaftlicher Veränderungsprozesse immer mehr an Bedeutung. Dies erforderte bereits vor der Pandemie einen eigentlich deutlich höheren Stellenschlüssel. Die Corona-Pandemie hat die Situation vieler Kinder und Jugendlicher zusätzlich verschärft. Aktuell kann eine umfängliche Prävention mit den vielschichtigen Aufgaben eines Schulsozialarbeiters mit den vorliegenden Stundenumfängen nur unzureichend geleistet werden.

Auch wenn unser Antrag für mehr Schulsozialarbeit aus verschiedenen Gründen nicht auf Zustimmung stieß, so möchten wir uns dennoch bei den Kolleginnen und Kollegen dafür bedanken, dass dieses wichtige Thema nochmals im Fachausschuss beleuchtet werden wird. Wir hoffen, dass wir so auch hier zu einem Miteinander im Sinne der Kinder und Jugendlichen unserer Stadt finden werden.

Ein sicherlich positives Signal ist, dass Mittel für die Planung und Realisierung des Skate-und Bikerparks auf der Fläche „Am Rodelhügel“ eingestellt wurden, sodass die Umsetzung, auf die die Jugendlichen schon so lange warten, hoffentlich zeitnah erfolgen kann. Endlich!

Gerade in Zeiten der Pandemie wurde klar, dass es ohne Digitalisierung und Vernetzung nicht mehr geht. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um das Leben der Bürgerinnen und Bürger, aber auch den Beschäftigten in der Verwaltung zu erleichtern. Dem Antrag des BVP auf Etablierung einer Bürger-App wurde nach mehreren Anläufen diesmal gefolgt. Wir sind der festen Überzeugung, dass diese App auf dem Weg in eine digitale und bürgerfreundliche Stadt ein wichtiges Instrumentarium ist, um die Kommunikation in der Gemeinde und den Dialog zwischen Bürger*innen und Verwaltung zu optimieren.

Wir vom BVP sind nicht mit allen Entscheidungen im Rahmen der Haushaltsberatungen einverstanden, und an manchen Stellen fehlt uns die Balance zwischen dem Notwendigen und dem Beschlossenen, aber wir denken, dass der Haushaltsentwurf vertretbar aufgestellt ist. Einen solchen Entwurf in Pandemiezeiten abzulehnen, würde auch nicht unserer Forderung entsprechen, an einem Strang zu ziehen. Sie wäre schlicht und ergreifend verantwortungslos.

Die Fraktion des BVP stimmt daher dem Doppelhaushalt 2022/2023 zu!

Danken möchten wir an dieser Stelle ausdrücklich den Mitarbeiter*innen der Verwaltung für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Vor allen Dingen aber ein herzliches Dankeschön an all diejenigen, die in der Coronakrise nach wir vor Außergewöhnliches leisten, wie die Erzieher*innen, die Lehrkräfte, die Rettungskräfte und die ehrenamtlich Tätigen, die alle ihren Beitrag dazu leisten, dass wir gut durch diese schwere Zeit kommen.

Beenden möchte ich meine Rede mit einem weiteren Zitat von Einstein: „In der Mitte der Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten!“

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

oft haben wir unterschiedliche Ansichten, setzen andere Schwerpunkte und versuchen andere für unsere Ideen zu gewinnen. Wir reden, diskutieren und streiten auch miteinander. Das ist auch gut so, denn sonst wären wir am falschen Platz. Wichtig ist aber bei aller gelebten Streitkultur, dass wir niemals den gegenseitigen Respekt im Umgang miteinander verlieren. Lassen Sie uns bis zur Verabschiedung des nächsten Haushalts die Zeit nutzen, um weiter daran zu arbeiten, gemeinsam gute Entscheidungen im Sinne unserer Stadt zu treffen und getätigte Entscheidungen zu reflektieren, um immer wieder die richtige Balance zwischen denen um dasselbe Geld konkurrierenden Zwecken zu finden. Der BVP wird sich auch in den kommenden Jahren dafür einsetzen, dieses Gleichgewicht zu erhalten.

Ihnen allen wünschen wir vom BVP in diesen „sonderbaren“ Zeiten gesegnete Weihnachten und ein glückliches und gesundes neues Jahr.